16.Tag – Raus aufs Land

Die Hosteldame wollte uns zwar überzeugen, dass wir die Reisfelder von …. bei Longsheng auch Drachenrücken genannt, am besten mit der organisierten Tour erreichen können, wir wollten diese Reise auf eigene Faust unternehmen. Wir haben unsere Rucksäcke im Aufbewahrungsraum abgestellt und uns auf zum Busbahnhof gemacht. Unterwegs haben wir lecker gefrühstückt (Reisbrei, Kartoffelbällchen und gebratenen Reis mit Fleisch). Die Busse fahren regelmäßig in ca. 1 Std. Abstand nach Longsheng. Wir haben den Expressbus genommen (hält nicht bei jedem Baum) und so haben wir 2 Std. gebraucht.

Die Reisterassen haben 2 Zugänge, einmal von Ping’An oder von Dazhai. Ping’An ist laut Reiseberichten mehr touristisch ausgebaut – deshalb für uns eindeutig: wir fahren nach Dazhai. Die Minibus-Hostess von Ping’An wollte uns mit aller Gewalt überzeugen, dass wir nach Ping’An sollen, aber irgendwann in der Ecke des Busbahnhofes haben wir doch den Minibus mit dem Zeichen von Dazhai drauf entdeckt. In dem Minibus warteten bereits 3 Frauen. Eine war in Tracht gekleidete Yao Frau. Sie hat uns angesprochen, mit ihren paar Floskeln englisch hat sie uns erklärt, dass sie oberhalb von Dazhai ein Hotel hat und hat uns ein Kärtchen gegeben. Wir haben uns bedankt, aber erst mal keine Versprechungen. Mir hat gleich gefallen, dass sie nicht aufdringlich war.

Die Yao Frau im Bus neben uns

Die Fahrt nach Dazhai hat sich komplizierter dargestellt als gedacht. Noch ein paar mal anhalten – die Leute zum Einsteigen motivieren. Und nach 20 Min. Fahrt sind wir in ein Dorf gefahren und wurden zum Aussteigen aufgefordert. Die Yao-Frau hat uns gezeigt: Buswechsel. Und wann geht der nächste Bus weiter? Schulterzucken – Der Bus stand noch nicht mal da. Und überhaupt wir standen einfach an einer Straßenkreuzung mitten der Ortschaft – kein Schild für Bushaltestelle, geschweige denn Fahrplan – Welcome to the real China :-). Die Yao-Frau hat uns eine Garküche gezeigt, dort haben wir zu dritt Nudelsuppe gegessen. Inzwischen kamen andere Busse – Leute wurden umgeladen, ein hin-und her. Nun stand auch unser nächster Minibus dort. Wir sind eingestiegen und haben beobachtet, wie Busfahrer, Bushostess und noch zwei weiter Bushostessen Karten spielen – wir sind nicht mal annähernd auf die Regeln gekommen.

Kartenspieler im Bus

Irgendwann standen sie plötzlich auf, und wir fuhren los. Auf dem Weg hinauf nach Dazhai wurden gut durchgeschüttelt. Viele Einheimische sind ein- und ausgestiegen. Hier z.B. eine Frau, die zum Einkaufen im Tal war, und leckere Kröten zum Abendessen nach Hause nimmt:

Die Kröten zu unseren Füßen - leckeres Abendessen!

Der Bus hält vor dem Dorf, an dem Tor zum Nationalpark. Da die Yao-Frau uns wirklich sympathisch ist, sagen wir ihr, dass wir mitgehen. Wir laufen durch die Häuser von Dazhai, immer Berg hinauf. Überall werden wir von in Tracht gekleideten Frauen angesprochen, die mit ihren geflochtenen Körben unsere Rucksäcke tragen wollen. Wir sagen nein, weil wir ja eh nur unsere kleinen Tagesrucksäcke mithaben. Es ist aber ein komisches Gefühl: die Frauen (auch alte, über 50 Jahren) tragen die teilweise 20-25 kg schwere Taschen und Koffer der Touristen hoch – es ist schwer den Frauen das Tragen zuzumuten – wiederum sie leben davon. Ca. 1 Std. laufen wir immer Berg hinauf, bis wir die nächste Ortschaft erreichen. Hier, ganz am Ende des Dorfes ist unser Holzhotel, mit dem besten Blick ins Tal :-).

Unterwegs nach oben zu unserem Hotel - vor uns unsere Yao-Frau mit ihrem Korb

Wir sahen unsere Yao-Hotel-Frau am nächsten Tag wieder in Longsheng: sie saß wieder im Bus – sie holt sich so die Gäste, gleich von unten – denn mittlerweile stehen mehrere neue Holzhotels im Dorf, die Konkurrenzkampf ist groß – und ihres ist das am weitesten weg.

Wir haben ein nettes aber natürlich einfaches Zimmer mit direktem Blick ins Tal bekommen.

Unser Holz-Hotel stand ganz oben - mit tollem Blick ins Tal
Wunderschöne Aussicht aus unserem Fenster
... überall Reisterassen

Wir hatten noch genügend Zeit vor der Dämmerung zu dem Viewpoint Nr. 2 hinaufzuklettern. Die Leute waren überall dabei, die Reisterassen von Unkraut und Gras zu säubern und die Becken wurden mit Wasser gefüllt. Bei dem Aussichtspunkt trafen wir eine Gruppe chinesischer Fotografen – die sind schlimm. Sie sind immer in Gruppen zu finden – einer hat eine größere und teurere Kamera als der andere. Sie mieten sich dann einen Fotomotiv (hier z.B. ein in Tracht gekleidetes Mädchen oder am Li-Fluß einen Kormoranfischer) und fotografieren sie wie die Verrückten 1 Stunde lang nur dieses Motiv. Und jeder hat immer einen Stativ mit – es wird fast immer vom Stativ fotografiert. Sie sind echt verrückt, das alles hat echt nichts mehr Fotografieren zu tun, das ist einfach Angeben.

Das Fotomodell
Die verrückten Fotografen
Kleines Nachbardorf
Unkraut jähten auf den Feldern
Yao-Frauen

Und jetzt kommt das 2. leckerste Gericht auf meiner Top10-Liste: Schweinefleisch mit Mais. Und Jan sein Tofu mit Bohnen war das 3. leckerste 🙂 Diese wurden uns von dem Schwiegersohn unserer Hotelfrau gekocht. Wir fotografierten ein bisschen die Dorfleute, aber um 20.30 sind wir todmüde ins Bett gefallen und bei nettem Froschquaken wären wir sofort eingeschlafen, wenn….. die Decken nicht zu schwer gewesen wären, ohne war frisch, mit haben wir geschwitzt. Und wie gesagt, es handelte sich um ein Gebäude komplett aus Holz. Wir haben gehört, wie sich die Leute um uns herum im Zimmer bewegten und chinesischtypisch den Fernseher brüllend laut hatten.

Nach ca. 3 Std. hindösen-wälzen-aufschrecken- sind wir beide plötzlich hellwach geworden, als wir hörten, dass unser Nachbar seine Frau nicht nur anschreit, sondern auch schlägt. Wir klopften an der Wand. Keine Reaktion – ging alles weiter. Nach paar Minuten ging ich nach unten und erklärte dem Hotelbesitzer, er möchte bitte was machen, das kann doch nicht sein. Seine Frau und er haben an der Tür geklopft, ein bisschen mit dem Mann geredet – aber alles nur so auf die Art – „Na wenn es unbedingt sein muss, dann sag ich halt was zu denen“. Aber eigentlich war die Sache für sie damit erledigt, dass sie uns ein anderes Zimmer am Ende des Ganges angeboten haben. 1. Ich wollte kein Zimmer wechseln (auf unser Sonnenaufgang-Foto verzichten und auch noch in getrennten Betten schlafen), 2. Wir können doch nicht zulassen, dass die arme Frau – die immer lauter weinte und hörbar nach Hilfe schrie – weiter geschlagen, getreten und im Zimmer rumgeschleudert wird. Wir fragten, wir sollten nun die Polizei rufen. Ganz schlechte Idee, kommt sichtbar überhaupt nicht in Frage, ausgeschlossen. Irgendwann ging die Tür auf, die Frau konnte raus, hat sich in einer Ecke vergrault und weinte, der Mann entschuldigte die ganze Zeit bei uns – die Alkoholfahne war nicht zu überriechen. Wir wollten, dass der Mann nach unten geht, hat aber immer wieder gesagt, es ist seine Familie, er kann machen, was er will. Dann wollte er wieder die Frau reinzerren, sie wollte nicht, hat gebettelt, bis sie sich doch losreißen konnte, aber wurde vor dem nächsten Hotel von dem Mann wieder eingefangen. Dann ging es dort los, er zerrte sie am Boden. Jan ging hin, und hat den Mann angeschrien, er solle aufhören. Daraufhin kam aus dem Nachbarhotel der Besitzer raus, und bat Jan (!) angesichts der vorangeschrittenen Stunde bitte doch leiser zu sein, seine Gäste fühlen sich belästigt. Das reicht, dachten wir, ihr sollt euch weiterprügeln, wir sind ins Bett. Wir hörten noch paarmal Schritte im Gang, aber dann war bei uns im Haus Ruhe. In China herrscht immer noch der Regel: jeder macht in der Familie was er will, eingeschlossen häusliche Gewalt – es interessiert niemanden, und mischt sich auch niemand ein. Und die Angst vor der Polizei ist so groß, dass keiner sie ruft.

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