5.Tag – Willkommen im realen China

Softsleeper/FirstClass hin oder her, ich habe früh definitiv Flohbisse am Bein. Aber geweckt hat mich etwas anders bzw. die ganze Nacht den tiefen Schlaf geraubt: Schnarchen. Und ich habe die guten Hansaplast-Ohrenstöpsel mitgehabt – die reichen aber gegen chinesisches Schnarchen nicht aus. Schnarchen ist anscheinend auch so eine Art Tradition, die alle eifrig pflegen und ausleben. Ich habe noch nie solches intensives und lautes Schnarchen erlebt wie dort– es geht so richtig durch Mark und Bein. Und sie Schnarchen nicht wie normale Männer, also wenn sie auf dem Rücken liegen, nein, sie schnarchen auch auf dem Bauch, auf der Seite – ganz egal wie sie liegen. In Shanghai in Dorm-Zimmer (Gemeinschafts-Hochbett-Zimmer) hatte ich einen Schnarcher, da hat nicht mal ohrenbetäubende Guns ’n Roses durch den MP3-Player geholfen. Das Schnarchen hat man oft sogar durch die Wände gehört – und das war wirklich sehr nervig.

Das Harmony Hostel in Pingyao haben wir noch von Datong aus reserviert, wir werden hier also am Bahnhof erwartet und mit einer Motor-Rikscha zum Hostel gefahren.

Motor-Rikscha

Erfrischende Fahrt durch die Innenstadt, die aber tagsüber für alle Verkehrsmittel gesperrt ist. Wir können unser Zimmer gleich beziehen und schlafen erstmal eine Runde.

Unser Wand-zu-Wand-Bett mit Teetischchen

Danach schlendern wir über die Straßen in der Altstadt von Pingyao. Sehr schöne Gebäude, die mittlerweile zum Versorgen der Touristen dienen (Läden, Gaststätten, Unterkünfte). Die Innenstadt ist autofrei, man kann schön spazieren gehen und in Ruhe alles angucken. Trotz 450.000 Einwohner hat sich die Innenstadt innerhalb der Stadtmauern ihren dorflichen Charme behalten.

Altstadt Pingyao

Wir haben bereits nach den wenigen Tagen unser Hirn umgestellt. Alles was über 20Y ist, ist eigentlich teuer. Wir rechnen nicht mehr in Euro um, sondern haben ein Gefühl bekommen, wie die Einheimischen die Preise einschätzen und für was wieviel zahlen würden. Aber man wird ständig belagert, ständig zum Kaufen animiert – und dies nervt auch nach einer Zeit. Die Chinesen verstehen kein NEIN. (Sie selbst sagen es auch nie nein, gilt unhöflich direkt nein zu sagen, sie sagen einfach bloß, dass sie es sich noch überlegen werden). Dementsprechend verstehen sie auch nicht, dass wenn man NO sagt, dann meint man auch NO. Und dementsprechend werden wir in Pingyao bei unseren Spaziergängen in Sekundentakt angesprochen.

Ja, China ist ein modernes Land!

Beim Spazierengehen muss man aufpassen, nicht in die ein oder andere frische Spucke zu treten. Eigentlich ist das Spucken eine ganz natürliche, reinigende Gewohnheit der Chinesen. Und dementsprechend hat auch einen traditionellen Ablauf. Man fängt an und sammelt sich von unten bis oben den Schleim im Hals mit ohrenbetäubenden Gurgeln und Kratzen auf und spuckt abschließend einfach vor die Füße (unabhängig davon, ob man sich in einem Laden, im Bus oder auf der Straße befindet). Wenn die erste Ladung nicht zufriedenstellend war, dann wird das ganze Prozess nochmal 2 bis 3mal wiederholt. Diese Reinigungsmethode wird mit Vorliebe gleich nach dem Aufstehen angewendet. Es ist natürlich für uns Langnasen gewöhnungsbedürftig in einem Hostel davon geweckt zu werden, dass der Nachbar im Nebenzimmer gerade seine morgendliche Schleimausscheidungsprozedur durchführt.

Spaziergang auf Pingyaos Straßen

Am Nachmittag haben wir uns zwei Fahrräder genommen und sind zu dem 7 km einfernten (buddistischen) Shuanglin Tempel geradelt. Abgesehen von dem windigen Wetter, wurde die staubige Hauptstraße im Sekundentakt mit Schwarzkohle liefernden LKWs befahren. Zum Glück haben wir Mundschutz mitgehabt, trotzdem wollt ihr euch nicht vorstellen wie unsere Handtücher nach dem gründlichen Waschen am Abend aussahen. Und das ist was normales in China – täglich fahren Millionen von Fahrrad- und Motorroller- (normalerweise die ganze Familie auf einem gemeinsamen Motorrad!!! Alle ohne Helm selbstverständlich.) unter solchen Verhältnissen.

Abfahrt zum Tempel
Jan am Tempeleingang - noch mit Mundschutz

Der Tempel war nicht restauriert, die alte Farbe hatte er längst verloren und alles war mit Staub bedeckt. Aber genau deshalb war es interessant zu sehen, wie sowas aussieht, was durch das Tourismusamt noch nicht auf Hochglanz gebracht wurde. Der Vorteil war natürlich, wir waren praktisch alleine in der Anlage.

Zurück in die Stadt sind wir in ein Haus eingekehrt, wo „Foot Massage“ angeschrieben war. Da dies nicht direkt in der Innenstadt war, dachten wir, probieren wir hier unser Glück. Wir haben wie immer mit Händen und Füßen vereinbart: wir bekamen 30 Min Fußmassage und 15 Min Oberkörpermassage für 40Y. Beide Behandlungen waren gut. Als wir ankamen, war nur die Mutter da, und sie rief dann die Tochter an, sie kam dann dazu, damit wir parallel behandelt werden können. Aber das Interessante war natürlich was sich die ganze Zeit abgespielt hatte. Wir befanden uns im Lebensraum der Familie. Dieses Zimmer ging auf die Straße und nach Hinten in den Hinterhof, wo sie anscheinend auch noch andere Zimmer zum Vermieten hatten. Aber sie lebten in diesem Durchgangszimmer, und man muß dazu sagen, sie lebten auf keinen Fall unter armen Verhältnissen. Die andere Tochter hat während unserer Anwesenheit ihr Baby gestillt. Man muß wissen, in China haben die Kinder (bis auf Beijing und Shanghai) keine Windeln, geschweige denn Pampers. Sie tragen alle ihre Trainings- oder Schlafhosen, die im Schritt komplett aufgeschnitten sind. Dadurch kann das Kind jeder Zeit überall pinkeln, ohne die Klamotten nass zu machen. Die ersten Schritte dieser Erziehung haben wir bei dieser Familie kennengelernt. Nach dem Stillen hat das Baby angefangen zu pinkeln, worauf die Mutter das Kind vor sich hin gehalten hat, damit es ruhig in die Mitte des Raumes machen kann (man macht sich mit Aufwischen keine Mühe, bei der Wärme trocknet ja das bisschen Wasser eh schnell auf), und macht dabei ein „SSSSCCCCHHHH“ Ton. Dabei lernt das Baby, dass immer wenn „SSSSCCCCCHHHH“ gesagt wird, muss Pipi gemacht werden. Ansonsten ist für Kinder erlaubt, jeder Zeit egal wo zu pinkeln: vor einen Laden, an der Bushaltestelle oder gar direkt im Bus (es gibt ja hier doch mal einen Wischmop meistens… wenn nicht, dann wir halt auch mal die Tasche von Reisenden reingestellt… ist ja alles nicht so wild). Aber meistens werden die Kinder vor dem Einsteigen in den Bus über einen Eimer oder an einen Baum/Grünfläche gehalten und mit „SCH“ animiert. Tja, und für größere Sachen gilt die gleiche Regel… schön ist natürlich, wenn der Vater doch mit einem Schaufel hinterherläuft und das Ganze dann doch von der Straße räumt. Nicht gerade einfach ist mit den Reinigungsarbeiten, wenn das Kind beim Sitzen auf dem Schoß der Mutter mitten im Stadtbuses das Bedürfnis ereilt…

bei den Sachen der Erwachsenen geht die Entsorgung schon wesentlich moderner...

So haben wir die ersten „ländliche“ und wahren Eindrücke von China gesammelt…

Schreibe einen Kommentar